Reaktivierung von Bahnstrecken: Setzt der Freistaat seine Versprechen um?

Mit einem Infoblatt kündigte die Bayerische Staatsregierung im Dezember ein Programm zur Reaktivierung von Bahnstrecken an. Zeit, einen Blick auf die Inhalte dieses Papiers zu werfen.

Zur Erinnerung: Für den Erhalt des Schienennetzes erhält die Deutsche Bahn jedes Jahr Milliarden vom Bund. Dies erfolgt insbesondere über die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuVF) und indirekt über die Bestellung von Nahverkehrsleistungen aus Regionalisierungsmitteln, die wiederum Trassengebühren an die DB Netz zahlen. Die Verantwortung des Bundes für die Eisenbahn lässt sich aus dem Grundgesetz ableiten. Weniger klar geregelt ist leider die Verantwortung der Länder für das Schienennetz abseits der Hauptstrecken. Was früher Landesbahnen übernommen haben (z. B. die Regentalbahn), fällt heute in Bayern gewissermaßen in ein Verantwortungsloch. Dabei sind gerade in Zeiten des Klimawandels und der angestrebten Verkehrswende Nebenstrecken wichtiger denn je, bringen sie den Schienenverkehr doch in die Fläche und damit näher zu den Menschen und Firmen.

Seit Jahren weisen wir auf die fehlende Förderung von NE-Infrastruktur* und touristischen Bahnverkehren in Bayern hin. Andere Bundesländer haben schon lange wirksame Förderprogramme etabliert, beispielsweise Baden-Württemberg mit seinem „NE-LuV“ und seinen geförderten Ausflugsverkehren.

Warum sich der Freistaat seit Jahren gegen ein Förderprogramm sträubt, wissen wir nicht. Doch langsam hoffen wir, dass unser zäher Kampf um eine auskömmliche Förderung von NE-Bahnen Früchte trägt. In einem Infoblatt vom 6. Dezember 2021 erläutert Verkehrsministerin Kerstin Schreyer ein Vier-Säulen-Modell zur Förderung der regionalen Schieneninfrastruktur.

Die vier Säulen decken alle wesentlichen Bedarfe der NE-Bahnen ab:

  • Säule 1 stellt die Förderung von Ersatzinvestitionen der NE-Bahnen dar. Als Ersatzinvestitionen werden größere Instandhaltungsmaßnahmen bezeichnet, die über den Bestandserhalt hinausgehen. Bezogen auf die Ilztalbahn wäre das z. B. der Neubau oder die Grundsanierung einer Brücke, welche die Ilztalbahn GmbH aus privaten Mitteln nicht finanzieren könnte. Zu hoffen bleibt, dass die Fördersätze auch wirklich wie angekündigt 80 % betragen.
  • Säule 2 bedeutet eine Aufstockung der (Bundes)-Regionalisierungsmittel durch Landesgelder. Ein überfälliger Schritt, der aber überhaupt nur erforderlich wird, weil der Freistaat einen Teil der Regionalisierungsmittel z. B. für den Bau der 2. S-Bahn Stammstrecke in München zweckentfremdet. Trotzdem, jeder Euro, der in die Finanzierung von SPNV-Leistungen fließt, ist gut investiert.
  • Die Säule 3 weicht die bekannten „Nicht-Reaktivierungs-Kriterien“ auf. Sie ermöglichen Reaktivierungen auch unterhalb des bisher allgemeingültigen 1000er-Kriteriums. Kritisch ist allerdings die Beteiligung der Gebietskörperschaften an den Betriebskosten zu sehen. Es zählt nicht zu den kommunalen Aufgaben, Schienenverkehre zu finanzieren, weshalb die Praxistauglichkeit dieser Säule in Frage zu stellen ist.
  • Mit Säule 4 stellt sich der Freistaat seiner Aufgabe der Daseinsvorsorge, die sich gerade in ländlichen Räumen auch auf Freizeitverkehre erstrecken sollte. Ein überfälliger Schritt!

Vier Säulen zur Förderung von Streckenreaktivierungen und NE-Bahnen (Quelle: StMB, Infoblatt vom 06.12.2021)

Finanziert werden soll das Programm, das insgesamt jährlich etwa 55 Mio. € erfordert, in 2022 und 2023 zunächst aus Mitteln des Corona-Investitionsprogramms (CIP) und dort konkret aus dem Topf „Klimaland Bayern“. Hierfür stehen 35 Mio. € unter der Nummer 891 73-9 im aktuellen bayerischen Haushaltsentwurf.

Aus Sicht der Ilztalbahn stellt die Initiative der Staatsregierung einen überfälligen Schritt zur nachhaltigen Förderung des bayerischen Schienennetzes abseits der Hauptstrecken dar. Vergessen wurde allerdings eine weitere Säule, mit der die eigentliche Umsetzung von Reaktivierungsprojekten unterstützt werden sollte. Mit seinen Vorgaben hinsichtlich der Trassenpreise (die nicht höher als bei vergleichbaren DB-Strecken liegen dürfen) zwingt der Freistaat die Streckeneigentümer zur Aufnahme langfristiger Kredite zur Finanzierung der Infrastrukturinvestitionen. Die Erfahrungen von der Staudenbahn und der Romantischen Schiene zeigen, dass die Bestellgarantie des Freistaats den Banken als Sicherheit nicht ausreicht und sich die eigentlich zugesagten Reaktivierungen um Jahre verzögern.

Zu hoffen ist, dass die angekündigten Mittel relativ unbürokratisch abgerufen werden können und schnell zur Verfügung stehen. Vor allem aber muss der Haushaltstitel aber die nächste Lesung der Haushaltsverhandlungen überstehen.

 

* Die Abkürzung NE steht übrigens für „Nichtbundeseigene Eisenbahnen“ und bezeichnet historisch gesehen alle Bahnen, die nicht zur Deutschen (Bundes-)bahn gehören.

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