Blick über den Tellerrand: Reaktivierung Joachimsthal – Templin (Brandenburg)
Weit über die Grenzen unserer Region hinaus bekannt ist der Probebetrieb auf der Strecke Gotteszell – Viechtach. Der ab September 2016 zunächst für zwei Jahre angesetzte Probebetrieb ging 2018 in eine dreijährige Verlängerung. In dieser Zeit sollen nun durchschnittlich 1000 Fahrgäste je Streckenkilometer erreicht werden – zum Vergleich: 37 Bahnstrecken in Bayern erreichen diesen Wert im Regelbetrieb nicht, darunter alle Zweigstrecken des Waldbahnnetzes. Doch wie gehen andere Bundesländer mit dieser Hürde um? Wir haben uns umgeschaut und sind in Brandenburg auf den Probebetrieb Joachimsthal – Templin gestoßen.
Am Anfang steht aber zunächst die Frage, woher die magische Grenze der „1000 Fahrgäste“ stammt. Der Freistaat Bayern beruft sich hierbei auf Ausbaukriterien des Bundes, die allerdings bei Nebenbahnen in keiner Weise zutreffend sind. Vielmehr wird die Grenze bewusst so hoch angesetzt, dass Reaktivierungen verhindert werden. Sicherlich ist die Wirtschaftlichkeit des Massenverkehrsmittels Schiene erst ab einigen hundert Fahrgästen gegeben, jedoch bleiben hier weiche Faktoren, wie die Nutzung einer vorhandenen Infrastruktur oder der wirtschaftliche und Touristische Nutzen einer Bahnstrecke, völlig unberücksichtigt.
Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2018 wurde die seit 2006 nicht mehr im SPNV befahrene Bahnstrecke Jochachimsthal – Templin Stadt reaktiviert. Etwa 60 km nördlich von Berlin gelegen, stellt diese Strecke die Verbindung zwischen den beiden Strecken Eberswalde – Joachimsthal und Löwenberg (Mark) – Templin Stadt dar.
Lage der Bahnstrecke Eberswalde – Templin Stadt (RB63) in der oberen Bildmitte im Netzplan des VBB (Quelle: VBB)
Auch das Land Brandenburg konnte sich nicht zu einer dauerhaften Bestellung durchringen, und finanziert mit Unterstützung der lokalen Gebietskörperschaften zunächst einen Probebetrieb. Angepasst an die geringe Bevölkerungsdichte des Landkreises Uckermark von nur 39 Einwohnern je Quadratkilometer (zum Vergleich: 80 Einwohner je Quadratkilometer im Landkreis Freyung-Grafenau) liegt das Kriterium für einen erfolgreichen Probebetrieb hier allerdings bei 300 Fahrgästen je Werktag.
Die gemütliche Fahrt mit den bequemen, von der Ilztalbahn bekannten Regioshuttle-Triebwagen startet in Eberswalde. Am Kreuzungsbahnhof Joachimsthal endet etwa jede zweite Fahrt, das reaktivierte Teilstück Joachimsthal – Templin Stadt wird nur im Zweistundentakt bedient. Die Strecke ist abschnittsweise noch mit mechanischen Stellwerken und einer handbedienten Schranke ausgerüstet. Langfristige Investitionen sind bei einem Probebetrieb nicht finanzierbar, sodass die Betriebsdurchführung sehr personalintensiv ist.
Wir wünschen der Strecke Joachimsthal – Templin viel Erfolg bei der Bewältigung des „300er-Kriterums“ und einen erfolgreichen Übergang in den Regelbetrieb!
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