Akku oder Brennstoffzelle? Alternative Antriebe für die Ilztalbahn
Klimawandel, Verkehrswende und Elektromobilität. Mit diesen Stichworten sind wir in der Diskussion auf jeden Fall vorne dabei. Doch noch fahren wir mit Dieseltriebwagen durch das Ilztal. Wie wird die Technik in fünf oder zehn Jahren aussehen?
Um ehrlich zu sein: Wir wissen noch nicht, welche Antriebstechnik sich durchsetzen wird. Die Eisenbahn fährt seit 140 Jahren elektrisch, über 80 % der Betriebsleistung in Deutschland wird heute schon elektrisch erbracht. Beim Stichwort Elektromobilität muss die Bahn also an erster Stelle kommen, weit vor den Bemühungen um die Elektrifizierung auf der Straße. Und die Eisenbahn hat einen klaren Vorteil: Sie muss die benötigte Energie nicht auf dem Fahrzeug speichern, der Strom kann über eine Oberleitung kontinuierlich zugeführt (und beim Bremsen auch wieder zurückgegeben) werden. Das kann auf der Straße (mit einigem Aufwand) nur der O-Bus.
Oberleitung
Doch der Elektrifizierung der Eisenbahn mittels Oberleitung ist teuer. Eine aktuelle Studie der TU Dresden (Teil 1 und Teil 2) empfiehlt den Bau einer Oberleitung immer dann, wenn mehr als ein Zug je Stunde und Richtung auf der Strecke fährt, was auf der Ilztalbahn auch langfristig nicht zu erwarten ist. Zudem wäre die Betriebssicherheit einer Oberleitungsanlage nur durch massive Abholzungen entlang der Strecke zu gewährleisten und für unsere drei Tunnel wären aufwendige Sonderlösungen zu finden.
Für Strecken wie die Ilztalbahn empfielt die Studie der TU Dresden den Einsatz alternativer Antriebstechnologien. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Akku oder Brennstoffzelle
Akkutriebwagen
Elektrische Triebwagen sind heute bei der Eisenbahn Standard. Man nehme einen solchen Triebwagen und statte ihn mit einem leistungsfähigen Akku aus – Fertig! Die verhältnismäßig einfache und standardisierte Technik sind Hauptvorteil der Akkutriebwagen. Einzige Schwachstelle: Der Akku. Noch erlauben die schweren Aggregate nur eine Reichweite von durchschnittlich 100 Kilometern, bei unbekannter Lebensdauer. Im Winter benötigt die Heizung, im Sommer die Klimaanlage viel Energie und reduziert die Reichweite. Der Einbau von stärkeren Batterien wäre natürlich möglich, ist wirtschaftlich aber nicht darstellbar. Die Lösung: An jeder Endhaltestelle muss kurz nachgeladen werden. Dort wo eine Oberleitung schon vorhanden ist (am Beispiel der Ilztalbahn in Passau Hbf) ist das einfach, dort wo es noch keine gibt muss sie eben gebaut werden, auch wenn es nur 100 Meter am Bahnsteig sind (am Beispiel der Ilztalbahn in Freyung). Der Triebwagen kann dann ganz normal seinen Stromabnehmer heben und nachladen. Ihren größten Vorteil spielen Akkutriebwagen aus, wenn ein Teil der Strecke schon elektrifiziert ist. Zu bedenken ist aber, dass der Fahrplan gegebenenfalls an die Ladezeiten angepasst werden muss.
Alle großen Fahrzeughersteller haben Akkutriebwagen im Angebot. In Deutschland hat das Land Schleswig-Holstein bei Stadler Züge vom Typ Flirt Akku bestellt. Kurze Zweiteiler, mit 124 Sitzplätzen übrigens ideal für die Ilztalbahn! Auch Baden-Württemberg setzt auf Akkutriebwagen, für die Ortenau S-Bahn wurden 20 Züge vom Typ Mireo bestellt. Auch auf anderen Strecken sollen in wenigen Jahren die Züge mit Akkustrom fahren, so z.B. zwischen Chemnitz und Leipzig. Noch weiter sind unsere Nachbarn: Seit Oktober 2019 ist die Siemens-Entwicklung „CityJet Eco“ auf den oberösterreichischen Nebenbahnen im Testeinsatz unterwegs.
Wasserstofftriebwagen
Auf der Innotrans 2016 prästentierte Alstom mit dem „Coradia iLint“ den ersten ersten wasserstoffbetriebenen Zug der Welt. Eine Brennstoffzelle produziert Strom, der elektrische Fahrmotoren antreibt und auch in einem Pufferakku gespeichert wird. Aus dem Auspuff kommt nur noch Wasserdampf. Größter Vorteil: Eine Tankfüllung reicht für hunderte Kilometer, also für einen oder mehrere Einsatztage. Wie beim Diesel ist der Triebwagen schnell betankt, den Wasserstoff gibt es häufig auch als Nebenprodukt der chemischen Industrie. Nachteil: Die Technik ist aufwendig, die Speicherung des Wasserstoffs nicht einfach und vor allem gibt es noch kein flächendeckendes Netz an Wasserstofftankstellen.
In Niedersachsen ist der iLint seit etwa einem Jahr schon im Regelbetrieb zwischen Cuxhaven und Bremerförder zu finden. Und das Land Hessen plant rund um Frankfurt den Einsatz der weltweit größten Brennstoffzellenflotte auf der Schiene – mit 27 Triebwagen. Und auch andere Hersteller, wie z.B. Siemens entwickeln Wasserstoffzüge. In Österreich soll die Zillertalbahn bis 2022 komplett auf Wasserstoff umgestellt werden.
Wer gewinnt?
Im Rennen um die Technologieführerschaft liegt Akkutriebwagen zur Zeit vorne. Bei technologieoffenen Ausschreibungen, so z.B. in Baden-Württemberg, kann er aus wirtschaftlicher Sicht klar überzeugen. Nur wenn in der Ausschreibung explizit die Brennstoffzelle gefordert wird, kommt diese auch zum Zug.
Wir als Ilztalbahn können sowieso nur abwarten. Abwarten, ob der Freistaat Bayern bei den alternativen Antrieben über eine Interessensbekundung hinauskommt und abwarten, welche Entwicklung die Akku- und Brennstoffzellentechnik, getrieben von der Automobilwirtschaft, noch nimmt. Wie entwickeln sich die Kosten für Akkus? Wie schnell wird ein deutschlandweites Wasserstoffnetz aufgebaut? Oder gibt es doch ein Förderprogramm für den Bau von Oberleitungen?
Bei aller Euphorie muss auch klar sein: Energie benötigen die Züge weiterhin, auch wenn lokal emisionsfrei gefahren wird. Die alternativen Antriebstechniken bieten aber die Chance, einen immer größeren Anteil der Energie umweltfreundlich aus erneuerbaren Quellen zu decken. In wenigen Jahren werden die neuen Technologien wirtschaftlich mit dem Diesel aufgeholt haben. Dann steht der hundertprozentigen Elektromobilität auf der Schiene nichts mehr im Weg! Auch auf der Ilztalbahn.
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