„Die Region muss sich endlich zu ‚ihrer‘ Ilztalbahn bekennen“ – Informationsabend mit Rück- und Ausblick
Seit 2011 fährt die reaktivierte Ilztalbahn wieder – dank unzähliger ehrenamtlicher Arbeitsstunden. Am Donnerstag, den 25. Juli, informierte Prof. Thomas Schempf, ehrenamtlicher Geschäftsführer der Ilztalbahn GmbH, im Rahmen eines Informationsabends in der GeYerei in Freyung über den Status Quo und die Perspektiven des Projekts.
Ein vor kurzem ausgestrahlter Fernsehbeitrag diente als Aufhänger: Die ARD-Sendung „Kontrovers“ begleitete vor einigen Wochen die Ilztalbahn-Aktiven bei der Arbeit an der Strecke. Den ausgestrahlten Beitrag unter dem Titel „Schienenirrsinn und Pendlerchaos: Ist die Verkehrswende zu schaffen?“, nahm Schempf zum Anlass, die Rolle der Politik anzusprechen:
Weiter kein Fortschritt bei der Potenzialanalyse
„Für die Potenzialanalyse gibt es zwar positive Grundsatzbeschlüsse aus dem Landkreis Freyung-Grafenau und von der Stadt Passau, eine darüber hinausgehende wirksame politische Unterstützung aus den beiden Gebietskörperschaften erkennen wir derzeit allerdings nicht. Der fehlende, eindeutig positive Grundsatzbeschluss aus dem Landkreis Passau verhindert seit neun Jahren jeglichen Fortgang. Wir haben doch bei der Bahnlinie Gotteszell – Viechtach gesehen, was vereinte regionale Kräfte bewirken können.“ Doch auch von der Bayerischen Staatsregierung vermisst Schempf eine klare Verkehrspolitik pro Schiene: „Der aktuelle Koalitionsvertrag ist eine einzige Enttäuschung. Verantwortung wird auf den Bund abgeschoben, dass es mit Gmunden (Oberösterreich) statt Gemünden am Main sogar ein Schreibfehler in das Dokument geschafft hat zeigt, welchen Stellenwert der Schienenverkehr für die aktuelle Regierung hat.“ Hinzu kommt, dass die neun derzeit in Bayern positiv bewerteten Reaktivierungsprojekte nicht oder nur äußerst zögerlich vorankommen. Problem, so Schempf, sei neben falscher Prioritätensetzung die teilweise Zweckentfremdung von Regionalisierungsmitteln, unter anderem für den Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München.
Herausforderungen im aktuellen Betrieb
Nicht zufrieden ist Schempf mit der aktuellen Fahrgastnachfrage auf der Ilztalbahn. Insbesondere aus der Region nutzen zu wenige Menschen die Wochenendverkehre. „Der parallel verkehrende Schnellbus und das dort gültige Deutschlandticket setzen unserem Fahrgastpotenzial zu, genauso wie das wechselhafte Wetter.“ Schempf blickt allerdings optimistisch auf die Sommerferien, die gewöhnlich deutlich mehr Fahrgäste in die Züge bringen.
Erwähnt wurde auch die Neuaufstellung der Ilztalbahn GmbH. Nach der Trennung vom langjährigen Kooperationspartner, der Rhein-Sieg-Eisenbahn, verfügt die Ilztalbahn GmbH nun über eigene Genehmigungen zum Betrieb der Strecke. Schempf betont, dass auch hier fast alle Aufgaben ehrenamtlich erfüllt werden und dankt allen Beteiligten, allen voran den neuen Eisenbahnbetriebsleitern der Ilztalbahn, Sebastian Grünzweig, Stefan Gärditz und Daniel Preis, sowie dem örtlichen Betriebsleiter Christoph Fleissner.
Im Arbeitskreis der Nicht-Bundeseigenen Eisenbahnen in Bayern ist die Ilztalbahn bestens politisch vernetzt. Aus dem Förderprogramm CIP-NE konnten im Jahr 2023 35 Mio. € in die private Eisenbahninfrastruktur fließen. Vom größten Anteil aus dem Fördertopf profitiert dabei die Regentalbahn, die mit den Geldern den Regelbetrieb zwischen Gotteszell und Viechtach sichern konnte. Aber auch die Ilztalbahn konnte über 2,6 Mio. € aus dem Fördertopf in ihre Strecke investieren. Kritisch sieht Schempf, dass das Förderprogramm keine Verstetigung gefunden hat und im aktuellen Haushalt nur ein „Leertitel“ dafür vorgehalten wird.
Positive Entwicklungen gibt es auch bei der Finanzierung der Bahnübergänge. Dank einer Novelle des Eisenbahnkreuzungsgesetzes fallen bei Ausbauten keine Kosten für den kommunalen Straßenbaulastträger mehr an. Befürchtungen, dass die technische Sicherung der zahlreichen Bahnübergänge von den Kommunen entlang der Strecke finanziert werden müssen, sind damit obsolet.
Auf der Suche nach realistischen Zwischenschritten
Langfristiges Ziel der Ilztalbahn GmbH bleibt weiterhin der tägliche Regelbetrieb im Stundentakt. Die fehlende kurz- und mittelfristige Perspektive erfordert allerdings die Suche nach realistischen Zwischenzielen. „Was können wir tun, dass wir für die Ilztalbahn auch in den nächsten Jahren eine deutliche Verbesserung erreichen?“, eröffnet Schempf die Diskussionsrunde. „Wenn wir in Bayern auf die klassische Umsetzung des Reaktivierungsprozesses warten, reden wir selbst im optimistischen Fall von Zeitfenstern, die sich weit in die 2030er-Jahre hinein erstrecken.“
Auf die Frage, ob nicht der Freistaat Freizeitverkehre auf der Ilztalbahn bestellen könne, erwidert Schempf, dass es in Bayern keine Finanzierung von touristischen Verkehren gebe. „Die Zuständigkeit dafür wurde mit Beginn der Legislaturperiode in das Landwirtschaftsministerium verschoben, das Verkehrsministerium sieht sich nicht in der Verantwortung.“
Am 21. September lädt die Ilztalbahn im Rahmen des bundesweiten „Tag der Schiene“ zu einem Bahnhofsfest nach Waldkirchen ein. Zum Abschluss betont Schempf, dass dank der Ilztalbahn Freyung, Waldkirchen und alle anderen Orte entlang der Ilztalbahn weiterhin einen Schienenanschluss haben: „Der Erhalt dieser wertvollen Infrastruktur bleibt auch weiterhin das wichtigste Ziel der Ilztalbahn-Initiative.“
Meinungen:
- Michael Liebl, ehemaliger 1. Vorsitzender des Fördervereins Ilztalbahn e. V: „Die Bahn nimmt nichts weg, da kommt was dazu.“
„Trotz der enormen Verkehrsprobleme in Passau ist kein politischer Wille erkennbar, die verfügbaren Gleise zu nutzen. Obwohl schon fast 10 Mio. € öffentliche Gelder in das Projekt Ilztalbahn geflossen sind, darf die Strecke aus politischen Gründen nicht genutzt werden. Dabei nimmt die Bahn nichts weg, da kommt was dazu.“ - Eike Hallitzky, Mitglied des Kreistags des Landkreises Passau: „Ilztalbahn als sinnvolle Ergänzung“
„Die Ilztalbahn könnte zunächst als zusätzliches Angebot zu den bestehenden Busverkehren etabliert werden. So können Befürchtungen über Verschlechterungen im Busangebot direkt ausgeräumt werden. Gerade am Wochenende, wo die Buslinie 100 nur im Zweistundentakt verkehrt, könnte die Bahn mittelfristig eine sinnvolle Ergänzung darstellen, sofern einheitliche Tarife gelten.“ - Bernd Sluka, Verkehrsclub Deutschland Landesverband Bayern e. V.: „Perspektiven aufzeigen“
„Die Ilztalbahn sollte verstärkt in die Öffentlichkeit treten und die Vorzüge der Bahn herauszustellen. Neben dem Vorteil der Staufreiheit sehe ich auch Perspektiven in der Anwendung alternativer, lokal emissionsfreier Antriebe.“ - Hans Madl-Deinhart, 1. Vorsitzender des Fördervereins Ilztalbahn e. V.: „Eine enorme ehrenamtliche Leistung“
„Was wir jedes Jahr ehrenamtlich mit der Instandhaltung der Strecke und dem Zugbetrieb leisten, ist unbeschreiblich. Wir müssen allerdings jetzt schon Überlegungen starten, wie das Projekt Ilztalbahn in zwei Jahren weitergeht, da dann durch den Wegfall der Fördermittelbindung mehr Freiheiten in der Ausgestaltung der Verkehre bestehen.“
Pressemitteilung Ilztalbahn GmbH | Waldkirchen, 2. August 2024
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